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Alte und gleichzeitig aktuelle Gedanken

Beim Durchstöbern meiner Unterlagen fand ich einen Text, aus dem ich hier einige Auszüge zitiere. Diesen Text habe ich 1999 als Studentin und junge Mutter verfasst und bin erschrocken, wie aktuell er nach wie vor ist.


Familienarbeit ist in erster Linie psychische, aber auch materielle Arbeit für eine konkrete Person oder Personen und wird auch als „Beziehungsarbeit“ definiert. Diese Form von Arbeit steht im Gegenmilieu zur Erwerbsarbeit und setzt nach Ostner und Pieper Fähigkeiten wie Empathie, Enttäuschungsfestigkeit, Flexibilität und intelligentes Handeln in vieldeutigen, offenen, rasch sich verändernden Situationen sowie sinnliche Intuition und divergentes Denken voraus. (…) Die Familienarbeit ist sowohl Männersache als auch Frauensache. Die Inhalte sind jedoch in dieser Hinsicht zu differenzieren, denn die Familienarbeit unterliegt nach wie vor einer geschlechtsspezifischen Aufteilung.


(…)


Praktisch sind die „neuen Väter“ diejenigen, die die Schwangerschaft ihrer Frau oder Freundin interessiert begleiten, die zu den Vorsorgeuntersuchungen mitgehen und sich in Geburtsvorbereitungskursen gemeinsam mit ihren Partnerinnen auf die Geburt ihres Kindes vorbereiten. Sie sind nicht mehr nur Beobachter und Empfänger von Nachrichten über Schwangerschaft, sondern nehmen bewusst an diesem Prozess teil und werden in die Veränderungen einbezogen. (…) Insgesamt leben sie in relativ egalitären Partnerschaften und teilen sich die Familienarbeit mit ihren Frauen. Maria S. Rerrich stellt fest, „dass zumindest auf der Ebene des Vaterideals der zärtliche Vater, der mit seinen Kindern spielt und schmust, zum neuen Vorbild wird.“ Bei genauerer Betrachtung der neuen Väterlichkeit ist allerdings zu sehen, dass zwar die Kinderbetreuung zunehmend als gemeinsame Aufgabe beider Elternteile begriffen wird, eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung der Eltern jedoch meistens erhalten bleibt. So engagieren sich nach Nave-Herz die Väter in der Kindererziehung und kümmern sich intensiv, gerne und regelmäßig um ihren Nachwuchs – sofern sie dafür Zeit finden. (…) Die Männer entlasten ihre Frauen bei der Familienarbeit heute zweifellos mehr als früher, mehr als vor vierzig oder fünfzig Jahren, „in der Regel kann ihre mithilfe die Belastung der Frau durch Beruf und Hausarbeit jedoch nicht annährend kompensieren. Ob erwerbstätig oder nicht, es ist die Frau, die den Löwenanteil der Hausarbeit trägt und die trotz der zu relativierenden „neuen Väterlichkeit“ die Hauptbetreuungsperson des Kindes ist. Von daher mein Maria S. Rerrich, dass die „neue Väterlichkeit“ dort ihre Grenzen hat, wo es an den Kernbereich männlicher Privilegien in der Familie geht. Ihrer Meinung nach müssten die Männer ihren (Erwerbsarbeits-)Alltag anders gestalten, um mehr von den anfallenden (Familien-)Alltagsarbeiten erledigen zu können, aber „es ist keine erkennbare Protestbewegung in Sicht, in der Väter Forderungen nach einer entsprechenden Veränderung ihrer beruflichen Arbeitsbedingungen vorbringen“.


(…)


Frauen, die sich für Kinder entscheiden, tragen natürlich auch die Verantwortung dafür, ob sie ihren Beruf zugunsten der Familie aufgeben, bzw. unterbrechen, ihre Berufstätigkeit reduzieren oder ob sie weiterhin voll berufstätig bleiben. Die Verantwortung für ihre Entscheidung tragen sie in jedem Fall, denn scheinbar steht ihnen eine Wahl zur Verfügung. Die wirtschaftlichen, familienpolitischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten lassen aber meiner Meinung nach eher von einer Pseudowahlfreiheit sprechen. Auch wenn in der öffentlichen Debatte inzwischen das Bewusstsein für die Schwierigkeiten der Vereinbarung von Beruf und Familie geweckt ist, so wird doch praktisch wenig dafür getan, das Problem zu lösen.


Zitiert aus und bezogen auf: Ostner/Pieper: Problemstruktur Familie – oder: Über Schwierigkeiten in und mit Familie zu leben, 1980 / Rerrich: Was ist neu an den „Neuen Vätern“ 1989 / Nave-Herz: Familie heute, 1997






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